Christos Katsioulis · IPG-Journal
Der Auftritt der USA auf der Münchner Sicherheitskonferenz schockt Europa. Die Reaktionen in der EU? Viel Altbekanntes.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist vorbei, aber die Schockwellen dieses Treffens werden noch eine Weile nachhallen. Normalerweise ist das Treffen in München das jährliche Hochamt der transatlantischen Community. Seit mehr als 60 Jahren wird dort die Einigkeit zwischen den USA und Europa gefeiert. Dabei wurde durchaus auch heftige Kritik aneinander geübt, vor allem über die Lastenteilung im Bündnis. Gleichzeitig diente die Konferenz dem intensiven Austausch über gemeinsame Herausforderungen.
Doch anstatt das transatlantische Bündnis zu feiern oder zumindest zu bekräftigen, einen gemeinsamen Kurs in der Ukraine gegen Wladimir Putin zu diskutieren und die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung zu planen, bleibt von der diesjährigen Konferenz eine Wende, eine neue Sitzordnung und ein europäischer Evergreen.
Ein neuer Sheriff ist im Amt, soviel war seit der Wahl in den USA klar. Trumps Politik beeinflusst eine breite Palette an Themen, insbesondere die europäische Sicherheit. Die große Frage vor der Münchner Sicherheitskonferenz war daher, wie der neue Mann im Amt mit dem zentralen Konflikt Europas – dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – umgehen würde.
Immerhin hatte er schon länger versprochen, diesem Krieg im Handumdrehen ein Ende zu bereiten. Es war nur unklar, wie er das anstellen würde. München sollte hier Klarheit bringen. Allerdings stand zu Beginn der Konferenz keine Ansage zur Ukraine, stattdessen machte der amerikanische Vizepräsident Vance ein viel größeres Fass auf. In seiner Rede ging er kaum auf Sicherheitspolitik ein. Er stellte vielmehr das gemeinsame transatlantische Wertefundament grundsätzlich infrage. Seine Kritik an europäischen Demokratien, die sich dem wahren Volkswillen gegenüber zunehmend verschließen würden, die im Vergleich Europas mit der späten Sowjetunion mündete, war ein Paukenschlag, der noch lange nachhallen wird. Der Grundtenor war damit gelegt: Das transatlantische Bündnis ist nicht mehr das, was es mal war. In dem Sinn waren die in München folgenden Ankündigungen mit ihrem Vorlauf beim NATO-Treffen in Brüssel zur Ukrainepolitik besser verständlich.
Mit der Rede von Verteidigungsminister Hegseth bei der NATO, dem Telefonat von Trump und Putin wenige Tage vor der Sicherheitskonferenz und dem Auftritt des Sonderbeauftragten für die Ukraine, General Kellogg, in München hat die Regierung Trump deutlich gemacht, dass sie sich von zwei Prinzipien der bisherigen Politik verabschiedet. Der Grundsatz „nothing about Ukraine without Ukraine“ wird ebenso aus dem Fenster geworfen wie das Prinzip, eine geeinte westliche Front gegen Wladimir Putin zu bilden. Damit vollzieht die US-Regierung eine Wende in der Ukrainepolitik, die mit dem allseits bekannten Schlagwort von America First wunderbar auf den Punkt gebracht wird. Wo Präsident Biden bemüht war, alle Verbündeten und vor allem die Regierung in Kiew ostentativ einzubeziehen und maximal hinter den Kulissen eigene Präferenzen zu äußern, orientiert sich sein Nachfolger offen und unverblümt an amerikanischen Interessen.
Damit vollzieht die US-Regierung eine Wende in der Ukrainepolitik, die mit dem allseits bekannten Schlagwort von „America First“ wunderbar auf den Punkt gebracht wird.
Aus dieser Wende ergeben sich direkte Schlussfolgerungen für die nun beginnenden Verhandlungen in Saudi-Arabien. Der Beginn eines diplomatischen Prozesses war, mal ganz abgesehen von der russischen Teilnahme an Verhandlungen, bislang von Uneinigkeit innerhalb des Westens erschwert worden. In der Staatengruppe der Unterstützer sowie der Ukraine selbst war umstritten, welche Ziele verfolgt werden sollten, und damit auch, welche möglichen Zugeständnisse möglich wären. Diesen Knoten haben Trump und sein Team durchschlagen. Hegseth hatte schon in Brüssel die künftige NATO-Mitgliedschaft und die Rückeroberung der besetzten Gebiete vom Tisch genommen. Dies hätte man noch als ein „Der Kaiser ist nackt“-Moment interpretieren können, weil schon länger klar war, dass beides weitgehend realitätsfern war. Es war aber verhandlungstechnisch ein Fauxpas, weil damit zwei wichtige Chips ohne Not vom Tisch genommen wurden.
Allerdings verdeutlicht das Vorgehen Washingtons, wie die Verhandlungssituation offenbar interpretiert wird. General Kellogg hat das in München auch nochmal verdeutlicht. Es wird einen Tisch für die „Großen“ geben, wo die USA und Russland direkt miteinander verhandeln und die zentralen Entscheidungen treffen. Die Ukraine und Europa werden – mit etwas Glück – an einem Nebentisch Platz nehmen oder gar ganz außen vor bleiben. Ihre Rolle? Die Beschlüsse umsetzen und sich daran halten. Das signalisiert eine Abkehr von Sicherheitssystemen wie der OSZE, wo alle am Tisch sitzen. Stattdessen erinnert das Szenario eher an Jalta, wo Großmächte die Grundzüge einer neuen Ordnung festlegten und Entscheidungen für andere trafen. Inwiefern dies der Komplexität der Situation gerecht wird, bleibt abzuwarten.
Die Reaktionen auf die Rede von Vance und die unilateralen amerikanischen Entscheidungen zur Ukraine? Schnappatmung, käsebleiche Europäer und Trotzreaktionen, insbesondere das gemeinsame Anstimmen europäischer Evergreens. Die Szenerie erinnerte fast an Karneval – denn jeder, der auch nur einmal mit europäischer Sicherheitspolitik in Berührung gekommen ist, kennt die altbekannten Klassiker auswendig. So war sogleich von der „Stunde Europas“ die Rede, die europäische Armee wurde von Präsident Selenskyj persönlich entstaubt und aus der Mottenkiste geholt und selbstredend war der „Weckruf für Europa“ in aller Munde, auch wenn das schon 2019 keine Neuigkeit gewesen war. Gemeint ist stets das Gleiche: Europa sollte mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen, mehr in seine Verteidigung investieren und damit die USA in ihrer Rolle als Sicherheitsgarant für den Kontinent entlasten. Im Grunde ähnliche Schlussfolgerungen, wie sie schon im Rahmen der Zeitenwende nach dem Beginn des russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gezogen wurden.
Damit verdeutlicht wird, dass es dieses Mal wirklich – ganz großes Indianerehrenwort – auch ernst gemeint ist, hat Präsident Macron gleich mal einen europäischen Krisengipfel anberaumt. Einen Tag nach dem „europäischen Albtraum“, wie die Münchner Sicherheitskonferenz 2025 eingeordnet wurde, treffen sich eine Reihe wichtiger europäischer Regierungschefs in Paris. Das kurzfristige Ziel ist es, eine gemeinsame Strategie für die Ukraine sowie einen Weg zu finden, doch mit am großen Tisch zu sitzen. Denn die brutale America First-Vorgehensweise der USA birgt die Gefahr, dass die europäischen NATO-Verbündeten keine gemeinsame Antwort darauf finden, sondern am Ende einzeln versuchen, sich wenigstens einen Platz möglichst nah an Washington zu sichern. Das Ergebnis wäre America First – EU last und der Verdacht liegt nahe, dass dies auch eines der Ziele der neuen US-Administration ist.
Erschienen im IPG-Journal, 17.02.2025
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