Christos Katsioulis · IPG Journal
Kann Europa seine Interessen gegenüber Russland und den USA durchsetzen?
Mehr als 100 Tage internationale Achterbahnfahrt mit Donald Trump als US-Präsident – und die europäischen Staaten scheinen immer noch nichts gelernt zu haben. Das Weimar-Plus-Format, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Polen, Großbritannien, Italien, Spanien, der EU sowie der Ukraine, hatte eigentlich einen klugen Vorschlag auf den Tisch gelegt: eine 30-tägige Waffenruhe, die den Auftakt zu Friedensverhandlungen bilden sollte.
Die Entscheidung zwischen einer Feuerpause mit anschließendem Beginn von Verhandlungen oder – bei Ablehnung durch Russland – einer abgestimmten Verschärfung des Sanktionsregimes durch Europa und die USA brachte Wladimir Putin zunächst in eine echte Zwickmühle. Entweder er lässt sich auf den Vorschlag ein und Europa erreicht mit der Waffenruhe ein zentrales Ziel. Oder er verweigert sich der Idee und Europa und die USA stehen doch wieder gemeinsam gegen Russland.
Doch Putin gelang es, sich der Zwickmühle geschickt zu entziehen, indem er überraschend direkte Verhandlungen mit der Ukraine in Aussicht stellte. Das Scheitern der europäischen Initiative zeigt einmal mehr, wie unvorbereitet Europa in den seit Monaten andauernden Verhandlungsprozess mit Russland hineinstolpert. Die Gründung der Weimar-Plus-Gruppe war zwar ein wichtiger erster Schritt, nur braucht es jedoch ein paar mehr, um auch erfolgreich zu sein.
Ein diplomatisches Format zu haben, reicht nämlich nicht aus – nicht, wenn Akteure wie Donald Trump und Wladimir Putin involviert sind. Beide sind in der Lage – qua Regime oder durch ihre Persönlichkeit –, abrupte Kehrtwendungen vorzunehmen und Positionen über Nacht zu räumen und damit jede Verhandlungssituation schlagartig zu verändern.
Genau das ist in dieser Woche geschehen und der europäische Vorschlag damit gescheitert. Es zeigt die Schwächen einer Vorgehensweise, die bislang fast ausschließlich auf Ad-hoc-Treffen basiert. Europa braucht eine langfristige Strategie für die Verhandlungen mit Russland, der Ukraine und den USA. Wie so oft bedeutet das an erster Stelle einen innereuropäischen Dialog, um die eigenen Positionen klar zu ziehen. Die Weimar-Plus-Koalition sollte als Format weitergenutzt werden, muss sich aber langfristig stabiler aufstellen.
Eine erfolgreiche Verhandlungsstrategie der Europäer muss drei zentrale Aspekte klären, um sich in dem von Donald Trump angestoßenen Prozess der Friedensverhandlungen behaupten zu können. Erstens braucht es eine gemeinsame Analyse des Konflikts, und zwar auf allen relevanten Ebenen. Zweitens, und das ist entscheidend: Die Staaten des Weimar-Plus-Formats müssen untereinander klären, welches europäische Ziel am Ende der Verhandlungen stehen soll. Drittens sollte ein gemeinsamer Prozess vereinbart werden, wie in den Verhandlungen agiert wird: mit klaren Abstimmungsmechanismen, festen Verfahren und der nötigen Kontinuität bei der Umsetzung der Strategie.
Der alleinige Fokus auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine versperrt den Blick auf die weiteren Verzweigungen des Konflikts Russlands mit dem Westen.
Hinsichtlich des ersten Schritts, einer gemeinsamen Analyse, hilft es Europa, den Blick zu weiten. Der alleinige Fokus auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine versperrt den Blick auf die weiteren Verzweigungen des Konflikts Russlands mit dem Westen. Denn darüber liegen zwei weitere Konfliktebenen, einmal zwischen Russland und Europa, hier steht die europäische Sicherheitsordnung auf der Agenda. Zuletzt gibt es auch einen Konflikt zwischen Russland und den USA, auch hier spielt europäische Sicherheit eine Rolle, allerdings nicht allein, denn hier kommen auch noch Aspekte strategischer Stabilität wie nukleare Abschreckung und die globale Machtbalance hinzu.
Die russische Zielsetzung in der Ukraine, aber auch darüber hinaus ist in vielerlei Hinsicht problematisch, völkerrechtlich illegitim und führt in eine Weltordnung, die für Europa nicht nur unvorstellbar, sondern auch äußerst ungemütlich wäre. Gleichwohl ist es sinnvoll, den Konflikt Russlands mit dem Westen in drei Ebenen zu strukturieren. Diese Herangehensweise hilft nicht nur dabei, eine eigene europäische Strategie zu entwickeln, sondern macht auch die Risiken deutlich, die eine rein russisch-amerikanische Verhandlung mit sich bringen würde. Sie unterstreicht zugleich die realen Einflusschancen Europas auf ein Gelingen des Prozesses.
Die EU kann eine zentrale Rolle darin spielen, den künftigen Platz der Ukraine in Europa zu definieren, indem die Beitrittszusage Schritt für Schritt mit Inhalt gefüllt wird. Gleichzeitig können die europäisch-ukrainischen Bemühungen – zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten und der Rüstungsindustrie – die russischen Versuche einer schleichenden Entsouveränisierung der Ukraine begrenzen. Die Schritte zur Stärkung der europäischen Verteidigung werden eine langfristige Wirkung auf die russischen Erwägungen haben. Zuletzt wird auch das europäische Sanktionsregime eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen spielen. Eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Russland verliert erheblich an Wert, wenn Europa sich daran nicht beteiligt – und bleibt für Russland damit deutlich weniger attraktiv.
Zweitens: Aufbauend auf der Analyse der drei Konfliktebenen und den identifizierten europäischen Hebeln sollten die Staaten des Weimar-Plus-Formats für sich klären, was sie in einem möglichen Verhandlungsprozess konkret erreichen wollen. Bislang ist die Zielvorstellung Europas und der Ukraine vor allem negativ definiert: Man weiß sehr genau, was man nicht will – aber deutlich weniger, was man will. Diese strategische Zielsetzung sollte nicht öffentlich ausgetragen werden, aber sie muss als belastbare Grundlage innerhalb des Formats existieren: als Leitlinie für alle diplomatischen Foren, an denen europäische Akteure beteiligt sind.
Die Fragen, die auf den Tisch gehören, reichen weit über mögliche territoriale Kompromisse und deren politische Verpackung hinaus.
Das bedeutet harte Auseinandersetzungen und schwierige Entscheidungen. Die Fragen, die auf den Tisch gehören, reichen weit über mögliche territoriale Kompromisse und deren politische Verpackung hinaus. Es geht auch um die künftige militärische Stärke der Ukraine, mögliche Truppenstationierungen (im Land und in den Nachbarstaaten) sowie den Wiederaufbau und seine Säulen – einschließlich des EU-Beitritts und der Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte in Europa.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage auf dem Schlachtfeld und der volatilen Rolle der USA sollten schon in dieser Debatte unter den Europäern potenzielle Kompromisse mitgedacht und gemeinsame rote Linien definiert werden. Und da es sich bei allen Beteiligten um demokratische Staaten handelt, deren Bevölkerungen diesen Kompromiss mittragen müssen, wäre es zudem hilfreich, schon jetzt eine entsprechende Kommunikationsstrategie zu entwickeln, um die Ukraine auch langfristig europäisch zu stützen.
Drittens: Die Staats- und Regierungschefs der Weimar-Plus-Staaten sollten Sonderbeauftragte oder Sherpas für den Verhandlungsprozess benennen. Diese müssten direkten Zugang zu den jeweiligen Regierungszentralen haben, für ihre Länder sprechen können und damit in der Lage sein, die gemeinsame europäische Verhandlungsstrategie kontinuierlich weiterzuentwickeln. Denn wie nicht zuletzt die vergangene Woche gezeigt hat, handelt es sich nicht um einen klar strukturierten Prozess. Wie zu erwarten war, hat die US-Administration eine teils unverbundene Abfolge von Verhandlungen mit unterschiedlichen Akteuren und unterschiedlichen Agenden angestoßen, ohne sich selbst der Komplexität des Prozesses bewusst zu sein.
Die oben skizzierten drei Ebenen des Konflikts bedeuten, dass Teilaspekte in kleineren Formaten zwischen Russland und der Ukraine verhandelt werden müssen, während andere Fragen eher zwischen Washington und Moskau diskutiert werden. Die Weimar-Plus-Gruppe wird nicht an allen Tischen beteiligt sein, kann aber aufgrund der vielen beteiligten Staaten zumindest alle zentralen Weichenstellungen beeinflussen. Dazu braucht es neben der gemeinsamen Zielvorstellung einen Modus engmaschiger Koordination. Ein gemeinsamer, ständig aktualisierter Informationsstand sollte dabei die Grundlage für Mechanismen der Anpassung, der Flexibilität und der Priorisierung darstellen. Der Verhandlungsprozess wird dynamisch bleiben. Eine permanente europäische Gipfeldiplomatie ist sicher nicht in der Lage, darauf schnell und entscheidend genug zu reagieren.
Die Diversität der europäischen Koalition kann dabei auch eine Stärke sein. Im Laufe der Verhandlungen wird es wichtig sein, Vertrauen zu den beteiligten Akteuren aufzubauen – und das nicht nur gegenüber den russischen Gesprächspartnern. In ähnlichem Maße gilt dies auch für die USA sowie für die europäischen Staaten, die weniger intensiv in den Verhandlungsprozess eingebunden sind.
Mit einer solchen innereuropäischen Festigung der eigenen Position ist ein Verhandlungserfolg noch keineswegs garantiert. Zu viele Unwägbarkeiten stehen im Raum, nicht zuletzt die Frage, ob Russland überhaupt zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist. Aber: Wenn die Weimar-Plus-Gruppe eine maßgebliche Rolle dabei spielen will, dass ein künftiger Kompromiss nur auf Basis europäischer und ukrainischer Interessen zustande kommt, dann braucht es mehr als den Versuch, einen Waffenstillstand mit hohlen Drohungen zu erzwingen.
Erschienen im IPG-Journal
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