Eine neue Perspektive der FES Wien. Unsere Leiterin Nicole Katsioulis im Interview.
Eine neue Studie des Kompetenzzentrums Frieden und Sicherheit der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht, welche sicherheitspolitischen Folgen die Klimakrise hat. Auch die Konsequenzen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine spielen hierbei eine Rolle. Hierzu haben wir unsere Kollegin Nicole Katsioulis interviewt.
Das Interview führte Yvonne Blos, Referentin für internationale Klimapolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Zum Beitrag unter fes.de hier entlang.
Liebe Nicole, du leitest seit letztem Jahr von Wien aus gemeinsam mit Christos Katsioulis das Kompetenzzentrum für Frieden und Sicherheit in Europa der Friedrich-Ebert-Stiftung. Welche Rolle spielt der Zusammenhang zwischen der Klimakrise und sicherheitspolitischen Fragen in eurer Arbeit?
Seit diesem Jahr haben wir ein neues Projekt zum Nexus zwischen Klimakrise und Sicherheitspolitik initiiert. Eins der ersten Produkte dieses Projektes ist die Publikation zu „Klimasicherheit und Europa“. Ich glaube, dass Sicherheitspolitiker*innen sich zunehmend mit der Klimakrise beschäftigen werden müssen, da sie wirklich eine Bedrohung für die Menschen und den Planeten darstellt.
Der 6. und aktuellste Bericht des Weltklimarates vom Februar 2022 macht z.B. klar, dass es gefährliche Kipppunkte gibt: Die Erde hat ihre Grenzen, ihre Ressourcen und ihre Belastbarkeit sind endlich. Und wir Menschen haben diese Grenzen schon in weiten Teilen überstrapaziert, ohne uns klarzumachen, dass damit ein ganzes System außer Kontrolle gerät, unaufhaltsam. Die Wissenschaftler*innen warnen uns in ihrem Bericht eindringlich vor diesen Kipppunkten, die unser Erdklima radikal verändern könnten.
Menschliche Sicherheit in Europa ist zudem bereits heute durch den Klimawandel bedroht. Man denke nur an die Wetterextreme im letzten Jahr: Wir hatten die Flut im Ahrtal in Deutschland, bei der 130 Menschen starben. In Griechenland und in der Türkei gab es mehrere große Waldbrände. Aktuell leidet Spanien unter der frühesten sommerlichen Hitzewelle seit über 20 Jahren. Tatsächlich gibt es in Europa immer mehr hitzebedingte Todesfälle. Die Wissenschaft ist eindeutig: wenn wir so weiter machen wie bisher – wird es noch gefährlicher für uns Menschen.
Die Auswirkungen der Klimakrise auf Sicherheits- und Friedenspolitik werden aktuell von dem völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den damit verbundenen energiepolitischen Fragestellungen dominiert. Welche Konsequenzen hat das für eure Arbeit und wie geht ihr damit um?
Inzwischen haben wir es ja mit mehreren Krisen zu tun: der Klimakrise, dem Ukrainekrieg, der Pandemie, der Energiekrise, etc. Mir ist wichtig zu betonen, dass die Förderung von Frieden eine wichtige Voraussetzung ist für eine gelingende Klimasicherheitspolitik und dass Klimasicherheitspolitik bei den Ursachen der Gefahren ansetzen muss. Und was sind die Ursachen von Lebensmittelunsicherheit, dem Kollabieren der Ökosysteme, dem Verlust von Biodiversität? Es sind die hohen Emissionen und die zunehmende Zerstörung der Umwelt. Das heißt, wir brauchen sehr ambitionierte Ziele für Emissionsreduktionen. Bisher ist es noch nicht gelungen, die CO2-Emissionen weltweit zu senken. Sie steigen immer weiter. Und hier brauchen wir dringend ein Umlenken.
Letztendlich treibt auch der Krieg die Emissionen und die Umweltbelastungen weiter nach oben. Er führt beispielsweise zur Zerstörung von Militärbasen in der Ukraine, wobei in großem Umfang toxische Chemikalien freigesetzt werden, die in die Atmosphäre aufsteigen oder im Grundwasser versickern. Im stark umkämpften Südosten der Ukraine werden auch Chemieanlagen, Öldepots, Pipelines, Stahl- und Kraftwerke zerstört. Auch die Investitionen in das Militär, die neue Welle der Aufrüstung und die Produktion neuer Waffen haben negative Auswirkungen auf die Emissionen. Darüber müssen wir nachdenken.
Andererseits ist es auch wichtig, das Thema Klimasicherheit nicht nur auf die energiepolitischen Probleme im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine zu verengen. Welche anderen bedeutsamen Faktoren spielen für die Klimasicherheit in Europa eine Rolle?
Die Klima- und die Außenpolitik müssen aus meiner Sicht noch stärker miteinander verzahnt werden. Erste Schritte dazu gibt es ja: Beim G7-Gipfel, der Ende Juni auf Schloss Elmau stattfinden wird, soll ein internationaler Klimaclub initiiert werden. Zudem gibt es im Auswärtigen Amt erstmals eine Staatssekretärin, Jennifer Morgan, die ausschließlich für Klimaaußenpolitik zuständig ist. Auch die letzte Münchner Sicherheitskonferenz hat gezeigt, dass eine Mehrheit der Länder in Europa über den Klimawandel besorgt ist und dass die Klimakrise enorme Auswirkungen auf Frieden und Stabilität weltweit hat. Einige Länder, wie beispielsweise die Niederlanden, haben ihre nationale Sicherheitsstrategie bereits danach ausgerichtet.
Eure neueste Studie heißt „Klimasicherheit und Europa: Welche direkten und indirekten Folgen hat der Klimawandel?“. Was sind aus deiner Sicht die drei wichtigsten Botschaften oder Empfehlungen dieser Studie, die du uns mit auf den Weg geben möchtest?
Die drei wichtigsten Empfehlungen sind:
Welche zukünftigen Pläne und Überlegungen gibt es in eurem Kompetenzzentrum zum Thema Frieden und Sicherheit? Welches sind aus deiner Sicht die dringendsten politischen Baustellen, die ihr angehen möchtet?
Erst einmal führen wir am 21.6. den großen „Zeitenwende“-Kongress der FES durch und werden diese Debatte sicherlich weiter begleiten. Zudem wollen wir den Themenschwerpunkt Klimasicherheit weiter ausbauen und dabei auch mit dem Kompetenzzentrum „Sozial-Gerechte-Klimapolitik“ der FES zusammenarbeiten. Wir möchten außerdem unsere Öffentlichkeitsarbeit zu den genannten Themen verstärken und produzieren gerade Social-Media-Videos.
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